Lernen bei ADHS/Legasthenie/Autismus
Lernen und AD(H)S/Autismus/Legasthenie - hier prallen oft zwei Welten aufeinander. Eltern sind hilflos, Lehrer sind genervt und hilflos und die Kinder/Jugendlichen mit AD(H)S sind nur noch verunsichert und fallen in eine "Frustfalle". AD(H)S lernt anders, begreift anders und braucht andere Voraussetzungen um lernen zu können.
Wie lernt AD(H)S
Jetziger Stand der Statistik über AD(H)S und Schule besagt, dass
10-15% können keinen höheren Bildungsabschluß erwerben
30-45% brauchen spezielle Förderprogramme
56% brauchen Nachhilfe
30% müssen die Klasse wiederholen
46% werden vom Unterricht suspendiert
(Quelle: Armin Born, Claudia Oehler)
Ich finde, dass sind keine sonderlichen tollen Voraussetzungen für eine Schullaufbahn, die Spaß machen soll und die den jeweiligen Schüler zum Erfolg führen soll. Doch warum fällt AD(H)S das Lernen so schwer?
Unsere Sinnesorgane - Augen, Ohren, fühlen, andere Kanäle wie z. B riechen - sind für die Informationsaufnahme entscheidend. Diese Informationen werden über unterschiedliche Kanäle zum Gehirn weiter geleitet. Hier kommt es aber oft schon zu den ersten Schwierigkeiten, wenn bereits hier Wahrnehmungsdefizite vorliegen. Kommt es bereits hier zu einer "falschen" oder "verzerrten" Aufnahme von Wahrnehmungen werden diese auch "falsch" und "verzerrt" zum Gehirn transportiert.
Alle Sinnesorgane sind die Aufnahmestelle, der erste Anlaufpunkt für alle eintreffenden Informationen von Außen. Somit müssen bereits hier alle Sinnesorgane funktionieren, sonst kommt es zu falschen Informationen - und somit ganz viel später zu falschen Ergebnissen.
In jeder Sekunde werden ca. 10 Millionen Informationen über die Sinnesorgane an das Ultrakurzzeitgedächtnis weiter gegeben - das Ultrakurzzeitgedächtnis ist somit der "Wahrnehmungsspeicher" - alle Sinneswahrnehmungen kommen hier an - und hier liegt die Betonung im Fall von ADHS bei ALLEN Sinneswahrnehmungen. Der Großteil aller hier eintreffenden Wahrnehmungen verpufft in Sekunden, ohne irgendeine Spur im Gedächtnis hinterlassen zu haben.
Informationen vergessen oder behalten?
Alle Informationen, die im Ultrakurzzeitgedächtnis laden - also im Wahrnehmungsspeicher - müssen nun eine Engstelle passieren - einen Filter. Hier spricht man auch von selektiver Aufmerksamkeit, und die ist bei AD(H)S beeinträchtigt. Hier ist der Filter "defekt" - er sortiert nicht aus, zumindest nicht ordnungsgemäß. Dieser Filter versucht wirklich, so viele Infos wie möglich vom Ultrakurzzeitgedächtnis durchzulassen, und dass führt zum "Zusammenbruch" des Filtersystems - die Kinder schalten bereits hier ab und das nicht, weil sie nicht lernen möchten, sondern weil dieses Filtersystem völlig überlastet ist.
Also, alle Infos müssen aus dem Ultrakurzzeitgedächtnis durch das 1. Filtersystem, um überhaupt im Kurzzeitgedächtnis zu landen. Das Kurzzeitgedächtnis wird in der Literatur auch als Arbeitsgedächtnis, Arbeitsspeicher beschrieben - aufgrund seiner absoluten Wichtigkeit für das Leben und Lernen. Das Arbeitsgedächtnis hat nun gleich mehrere Aufgaben zu bewältigen. 1. muss es alle einkommenden Infos für kurze Zeit "festhalten" - also speichern, 2. muss es nun die einkommenden und kurzfristig gespeicherten Infos mit bereits vorhandenen Infos aus dem Langzeitgedächtnis abgleichen und vergleichen. Da aber das Aufnahmevermögen des Arbeitsspeichers begrenzt ist, stellt auch das Arbeitsgedächtnis an sich eine weitere Engstelle dar.
Das Arbeitsgedächtnis "entscheidet" nun, welche Infos überhaupt "weiter rutschen" dürfen um durch einen zweiten Filter in das Langzeitgedächtnis zu gelangen - eigentlich sind wir hier hilflos dem Arbeitsgedächtnis ausgeliefert, da es frei entscheidet, was wichtig ist oder eben nicht.
Somit kommt nur ein ganz kleiner Teil der Informationen aus dem Arbeitsspeicher im Langzeitgedächtnis an.
Nur diese Informationen, die den Weg durch den zweiten Filter schaffen und im Langzeitgedächtnis ankommen, haben die Chance wirklich abgespeichert zu werden - aber auch hier gibt es Komplikationen.
Das Problem mit dem Langzeitgedächtnis ist, dass wir trotz Abspeicherung -wenn sie denn gelingt - nicht alle Info´s abrufen können - wir finden einfach die Schublade nicht, in die wir die Infos abgelegt haben = passives Wissen, was den größten Teil des Langzeitgedächtnisses ausmacht. Die Info´s, die wir ohne Probleme abrufen können, nennt man aktives Wissen.
Wie gelingt das Abspeichern im Langzeitgedächtnis?
Um die wenigen Info´s, die den Weg von den Sinnesorganen über den Filter bis ins Langzeitgedächtnis schaffen, abzuspeichern, hat unser Gehirn zwei Möglichkeiten.
1. die Informationen die Einkommen sind super mega mäßig interessant, sie sind mit großen starken Emotionen verknüpft, für die wir eine grandiose Motivation aufbringen
2. bewusst, klar und immer wieder das Wiederholen der Infos
Im 1. Fall werden diese Info´s wirklich fast von alleine gelernt und abgespeichert - ohne Anstrengung und wie im Schlaf. Und das ist im Fall von AD(H)S eben der Teil, an dem sich Eltern und Lehrer fassungslos aufregen und die Kinder/Jugendlichen zu hören bekommen "du kannst, du willst nur nicht". Die Kinder/Jugendlichen haben an dieser Stelle überhaupt keinen Einfluss auf das, was bei ihnen im Langzeitgedächtnis ankommt und was nicht! Noch einmal: auf diese einfache Art und Weise lernt es sich NUR, wenn die Infos mega super interessant sind und mit guten, tollen Emotionen verknüpft sind! Frage: war ihr Lernstoff früher super, mega interessant und gleichzeitig an super tolle Emotionen gekoppelt?
Im Schulalltag werden die Kinder von einer Fülle und Flut an Informationen konfrontiert, die ein AD(H)S - Gehirn schon mal prinzipiell nicht aufnehmen kann. Hinzu kommen hunderte unterschiedlicher Lernmethoden von Arbeitsblätter, unterschiedlicher Methodik der Lehrer etc.
Zudem dürfte der Lehrstoff nicht so mega interessant sein und gleichzeitig mit tollen Emotionen verbunden sein, und diese Tatsache allein erschwert das Lernen - also das sichere Abspeichern im Langzeitgedächtnis - um ein Vielfaches.
Diese Informationen können nur abgespeichert werden, wenn der ganze, komplette Abspeicherungsweg vom Wahrnehmungsspeicher bis zum Langzeitgedächtnis selber und bewusst - gewollt - unterstützt und kontrolliert wird. Bereits der erste Filter kann nur passiert werden, wenn wenige und ausgewählte Informationen durch bewusstes wiederholen "wachgehalten" werden und die ganze Konzentration auf diese wenigen Informationen gelenkt wird.
Gelingt hier die Überwindung des Filters, können die Infos ins Kurzzeitgedächtnis gelangen - und nur dann.
Reizfilterschwäche ADHS, Autismus und Legasthenie
Wie ich aber bereits weiter oben erwähnt habe, kommt es bei ADHS am 1. Filter bereits zu Schwierigkeiten. Dieser 1. Filter filtert ja nicht so, wie er soll und lässt erstmal alle Infos rein. Somit ist es für Menschen mit ADHS aber extrem schwer, sich auf wenige und auserwählte Infos zu konzentrieren, nur diese auserwählten Infos "wach zu halten" um ihnen die Chance zu geben, ins Langzeitgedächtnis umzuziehen. Versuchen sie doch mal, Fruchtsaft durch nur 1 LOCH eines Siebs zu gießen.....Ihr Saft darf nur durch ein Siebloch laufen - nicht durch die anderen! Der ADHS Filter funktioniert wie ihr Sieb - es gelingt ihm nicht, die Infos durch nur " 1 Loch" durchzulassen -er ist ein Sieb!
Infos wachhalten
Mit "wachhalten" ist hier das bewusste wiederholen der Informationen gemeint und das bewusste beschäftigen mit diesen Infos.
Damit dies gelingen kann ist es auch wichtig, den jeweiligen Lerntypen ausfindig zu machen - nicht jeder lernt auf die gleiche Art und Weise. Der Eine muss es anfassen um zu begreifen, der Nächste muss es hören und sehen und der Dritte muss es hören, sehen und anfassen. Richtiges und erfolgreiches Lernen klappt nur, wenn der jeweilige Lerntyp bekannt ist.
Wichtig ist auf jeden Fall, das mit diesen Informationen "gearbeitet" wird, sie müssen wiederholt werden und zwar immer und immer wieder. Bei vielen Kindern mit ADHS die gleichzeitig eine "Legasthenie" haben ist es sehr auffällig, dass sie z. B nicht automatisch wissen, welcher Buchstabe nach dem M, O, P kommt - sie müssen in Gedanken "nachzählen". Hier wurde nicht lange genug aktiv Wiederholt es konnte keine vernünftige und sichere Abspeicherung stattfinden. Dies führt natürlich bei allen schriftlichen Arbeiten zu Schwierigkeiten.
Werden diese Wiederholungen und das "aktive beschäftigen mit den Infos" nicht ausreichend durchgeführt oder unterbrochen, werden diese Infos gelöscht und sind weg oder nur noch teilweise vorhanden! Dies führt in allen Bereichen des Lernens zu Problemen, die auf die nicht ausreichende Wiederholung zurückzuführen sind - hier hilft nur "Nachbessern"!!!
Sind die Infos nun doch ins Langzeitgedächtnis "gerutscht" ist aber noch nicht alles in "trockenen Tüchern" - wir haben eine "Vergessenskurve".
Auch für die Infos, die den Weg ins Langzeitgedächtnis geschafft haben, gilt - Wiederholen, sonst sind sie weg! Und dies betrifft vor allem die Infos, die nicht aufgrund von tollen Emotionen und mega super Interesse ins Langzeitgedächtnis gelangt sind. Die Lernpsychologie sagt, dass wir nach dem ersten Einprägen sehr viel und sehr schnell vergessen! Bereits einen Tag, nachdem wir das 1X1 auswendig gelernt haben, ist ein Teil wieder weg - und das ist normal! Also liebe Eltern, per sofort keine klugen Ratschläge mehr wie "ja aber du hast doch gelernt, gestern konntest du es doch" - gestern ja, heute nein ! Und das betrifft vor allem ADHS!
Wenn jetzt nicht wiederholt wird, haben wir nach 3 Tagen gut die Hälfte vergessen!
Menschen mit ADHS, Autismus, Legasthenie haben es beim Lernen wirklich nicht einfach, und das ist auch keine Ausrede - ihre Gehirne funktionieren einfach anders. Durch die Filterschwäche am ersten Filter werden schon viel zu viele Infos durchgelassen und nicht aussortiert - es kommt zum "Abschalten" des Gehirns, aufgrund von Überlastung. Das kann sich zeigen in Träumen, Hyperaktivitä, Konzentrationsschwäche, Aggression und vor allem dem Verweigern führen - verweigern von Schule, Lesen, Schreiben....
Die Tatsache, dass Informationen, die nicht cool und interessant sind, vom ersten "Speicher" an, wiederholt werden müssen und man sich aktiv und bewusst mit ihnen beschäftigen muss, macht es ADHS nicht leichter beim Lernen. Zudem kann sich nur mit WENIGE ausgewählte Infos beschäftigt werden, um ihnen die Chance zu geben, ins Langzeitgedächtnis zu rutschen. Hier ist der Schulstoff an sich eine Schwierigkeit, die Tatsache dass oft z. B 15-20 Vokabeln gelernt werden müssen ( zu viel für ein ADHS Gehirn - das geht einfach nicht), die Zeit zum Auswendiglernen für ADHS oft zu kurz ist und natürlich die Tatsache, das wiederholen doof und uncool ist.
Hinzu kommt, dass das Arbeitsgedächtnis bei ADHS nicht so viel Fassungsvermögen hat, wie andere Arbeitsspeicher. Wird das natürlich Fassungsvermögen überstrapaziert, werden die "überflüssigen" Infos einfach gelöscht.
Ich verwende für meine Kinder viele Piktogramme, um Ihnen Regeln, Aufgaben, Abläufe besser verdeutlichen zu können - mit großem Erfolg :-)
Beispiel, wie ein Piktogramm aussehen kann
WERBUNG wegen Empfehlung
Es heißt immer auch, individuelle Lernmethoden zu finden, da die Hirnaktivitäten verändert sind. Dies kann man heute zum Glück mit bildgebenden Verfahren nachweisen.